Gesund leben

Hintergrundwissen Verhütungsmethoden

Geschichte der Empfängnisverhütung

Die Geschichte der Empfängnisverhütung ist lang und abenteuerlich: Schon immer wollten Menschen, dass ihre sexuellen Begegnungen ohne Folgen blieben. Im alten Ägypten etwa schmierten sich Frauen einen Granatapfelextrakt in die Scheide, um nicht schwanger zu werden. Moderne Analysen zeigen: Die Körner des Granatapfels enthalten Östrogene.

Im Mittelalter empfahl man der Frau nach dem Geschlechtsverkehr siebenmal zu niesen und sich mit angezogenen Knien hinzusetzen. Männer sollten den Penis mit Bleiweiß und Zedernöl einreiben. Casanova benutzte Kondome aus Schafsdarm und Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts komplizierte Apparate zur Scheidenspülung.

„Industrialisiert“ wird die Empfängnisverhütung erst nach der Jahrhundertwende: 1914 wird das Kondom erstmals in Serie produziert – und dadurch auch für eine breitere Masse bezahlbar. Anfang der 1960er-Jahre kommt die „Pille" auf den Markt, darf aber zunächst nur verheirateten Frauen verschrieben werden. Gegen die „Pille" laufen zunächst nicht nur Konservative und Kirche Sturm. Auch unter den Frauen ist die Skepsis groß. Fast 70 Prozent der Frauen in Deutschland befürchten noch 1968, dass die „Pille" einen schlechten Einfluss auf die Moral haben könnte. Heute ist die „Pille" das weltweit am häufigsten benutzte Verhütungsmittel. In Deutschland gibt es inzwischen über 50 Präparate zu kaufen.

Versuche, eine „Pille für den Mann" zu entwickeln, scheiterten bisher. So wurde etwa 2011 eine WHO-Studie mit einer Verhütungs-Spritze wegen zu starken Nebenwirkungen abgebrochen. 2023 soll eine Studie starten, die ein Medikament in Tablettenform untersucht.

Übrigens: Auch heutzutage hält sich manch kuriose Verhütungsidee. So kursierte bis in die 50er-Jahre das Gerücht, dass eine Scheidenspülung mit Coca Cola eine Schwangerschaft verhindern könnte.

Solche Stilblüten sollten die gesundheitliche Dimension der Empfängnisverhütung allerdings nicht in Vergessenheit geraten lassen. Vor allem Frauen haben unter dramatischen Folgen zu leiden, wenn es keinen gesicherten Zugang zu Verhütungsmitteln gibt. So berichten Ärzte ohne Grenzen, dass auch im Jahr 2022 weltweit noch beinahe 23 000 Frauen bei dem Versuch starben, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden.

Informationen zur Beliebtheit und Zuverlässigkeit moderner Verhütungsmethoden finden Sie im Artikel Pearl-Index.

Weiterführende Informationen

  • www.familienplanung.de – Internetseite der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln): Mit Informationen und hilfreichen Tipps einschließlich persönlicher Beratungsmöglichkeit zu Verhütung, Schwangerschaft, unerfülltem Kinderwunsch und der generellen Kinderfrage.
  • www.sexualaufklaerung.de – Ebenfalls von der BZgA betriebene Internetseite, die zahlreiche kostenlose Downloads zum Thema bietet.
  • www.zyklus-wissen.de – Dr. med. Raith-Paula, Puchheim. Zeigt auf Basis medizinischer Studienergebnisse die natürliche Bandbreite von "normalen" Zyklen auf.

Notfallverhütung: "Pille danach" und "Spirale danach"

Verhütungspannen kommen vor: Wenn die Einnahme der „Pille" vergessen wurde, das Kondom abgerutscht ist, der Geschlechtsverkehr erzwungen wurde, der Zyklus schwankt oder man gar nicht verhütet hat. In diesen Fällen gibt es die „Pille danach” oder die „Spirale danach“ als nachträgliche „Verhütungsmethode" (Postkoitale Kontrazeption). Sie ist ausschließlich für Notfälle gedacht – und wirkt auch nur, wenn noch kein Eisprung stattgefunden hat . 

Pille danach

„Pille danach” (Morning after Pill, Postkoitale Kontrazeption, Interzeption): Hormontablette zur Verhinderung einer Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Die Tabletten enthalten Levonorgestrel (PiDaNa®, Postinor®, Unofem®) oder Ulipristal (EllaOne®).

Wirkweise:

Um schwanger zu werden, müssen sich die Eizelle der Frau und eine Samenzelle des Mannes im Körper der Frau treffen. Die Eizelle wird nur einmal pro Zyklus, also ungefähr 1 Mal im Monat freigesetzt. Eine Schwangerschaft ist deshalb nur zu ganz bestimmten Zeiten möglich. Der Eisprung findet bei vielen Frauen ungefähr 2 Wochen nach dem ersten Tag der letzten Regelblutung statt. Nach dem Eisprung ist die Eizelle nur ungefähr einen Tag befruchtungsfähig. 
Weil die Samenzellen bis zu fünf Tage in Eileiter und Gebärmutter überleben, kann ungeschützter Geschlechtsverkehr aber auch ein paar Tage vor dem Eisprung noch zu einer Schwangerschaft führen. 

Die Pille danach schützt vor einer ungewollten Schwangerschaft, wenn die Verhütungspanne wenige Tage vor dem Eisprung stattgefunden hat. Sie schiebt den Eisprung ein paar Tage nach hinten. In dieser Zeit sterben die Samenzellen in Eileiter und Gebärmutter ab. Dann sind sie nicht mehr in der Lage, die Eizelle zu befruchten. Das bedeutet aber auch, dass die Pille danach nur wirkt, wenn der Eisprung noch nicht stattgefunden hat. Ist das Ei bereits gesprungen, ist die Pille danach wirkungslos. 

Nach einer Verhütungspanne sollte die Pille danach möglichst zeitnah eingenommen werden, um einem Eisprung zuvorzukommen. Wie viele Tage nach dem Geschlechtsverkehr die Einnahme der Pille danach noch wirkungsvoll ist, unterscheidet sich je nach Wirkstoff. 

Von der „Pille danach” abzugrenzen ist die Abtreibungspille. Mit der Pille danach lässt sich eine bestehende Schwangerschaft nicht beenden.

Wirkstoffe:

Levonorgestrel. Levonorgestrelhaltige Präparate müssen innerhalb von 72 Stunden (3 Tagen) nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Je früher die Einnahme erfolgt, desto wirksamer sind sie.
Der Wirkmechanismus ist nicht genau bekannt. Levonorgestrel verhindert den Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH) und verzögert damit den Eisprung. Das funktioniert allerdings nur, wenn der Eisprung mindestens 2 Tage später stattgefunden hätte. Levonorgestrel ist wirkungslos, wenn die Einnahme am Tag des Eisprungs oder einen Tag nach dem Eisprung erfolgt ist.

Präparate: PiDaNa® 1,5 (DE), Postinor® (EU), NorLevo® (CH), Vikela® (AT). Die Packungen enthalten eine Tablette mit 1,5 mg Levonorgestrel.

Ulipristal. Ulipristalhaltige Präparate müssen innerhalb von 120 Stunden (5 Tagen) nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden. Sie verhindern den Eisprung, indem sie die Wirkung des Gelbkörperhormons Progesteron unterdrücken. Im Gegensatz zu Levonorgestrel wirken sie auch noch einen Tag vor dem Eisprung. Ulipristal ist aber ebenfalls wirkungslos, wenn die Einnahme am Tag des Eisprungs oder einen Tag nach dem Eisprung erfolgt. Noch unklar ist, welchen Einfluss Ulipristal auf eine bereits bestehende Schwangerschaft hat.

Präparat: ellaOne® (EU).  Eine Packung enthält 30 Milligramm Ulipristalacetat.

Einnahme und Nebenwirkungen:

Einnahme. Es wird eine Tablette mit 30 mg Ulipristal als Einzeldosis eingenommen. Die Einnahme sollte nicht auf nüchternen Magen erfolgen, da sonst Übelkeit und Erbrechen drohen. Bei Erbrechen innerhalb von 3 Stunden nach der 1. Einnahme muss die Einnahme der „Pille danach” wiederholt werden.

Nach Einnahme der „Pille danach” besteht kein Verhütungsschutz, es muss anderweitig, z. B. mit Kondomen, verhütet werden. Die herkömmliche „Pille" sollte nach der „Pille danach” bis zur nächsten Monatsblutung abgesetzt werden.

Stillen. Stillende Mütter sollten levonorgestrelhaltige Präparate direkt nach dem Stillen einnehmen und dann 8 Stunden nicht stillen. Einige Fachleute empfehlen, zusätzlich bis zu 24 Stunden nach der Einnahme die Muttermilch zu verwerfen. Nach Einnahme ulipristalhaltiger Präparate sollte das Stillen für mindestens 1 Woche unterbrochen werden. Um den Milchfluss nicht zu stoppen, kann diese aber abgepumpt und dann verworfen werden.
Schwangerschaft. Beide Pillen führen nicht zum Abbruch einer Schwangerschaft. Allerdings gibt es bisher nur wenige Daten über die Auswirkung der Wirkstoffe auf das ungeborene Kind.

Nebenwirkungen. Die Pille danach schlägt vielen Anwender*innen auf den Magen. Nach der Einnahme treten häufig Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen auf. Es ist empfehlenswert, vor der Einnahme eine Kleinigkeit zu essen. Viele Anwender*innen vertragen die Tabletten dadurch besser. Wer sich trotzdem nach der Einnahme innerhalb der ersten drei Stunden übergeben muss, sollte eine neue Pille danach einnehmen. Nur so ist sichergestellt, dass genug Wirkstoff im Körper ankommt.

In einigen Fällen treten auch Unterbauchschmerzen oder Brustspannen auf.  Der Zeitpunkt oder die Stärke der Monatsblutung danach ist aber meist unverändert. Möglich ist aber, dass Zwischen- und Schmierblutungen auftreten.
Wechselwirkungen. Die Wirkung der Pille danach kann durch andere Arzneimittel reduziert werden. Hierzu zählen unter anderem Medikamente zur Behandlung von Epilepsie, Tuberkulose, HIV, Pilzinfektionen sowie pflanzliche Präparate, die Johanniskraut enthalten.

Wurde ein die Wirkung von Levonorgestrel hemmendes Arzneimittel in den letzten 4 Wochen eingenommen, sollte die Levonorgestrel-Dosis von 1,5 auf 3 Milligramm verdoppelt werden. Welche Medikamente die Wirkung der Pille danach beeinträchtigen, weiß die Apotheker*in genau. Geben Sie beim Beratungsgespräch also unbedingt an, welche Medikamente sie einnehmen.  

Verschreibungspflicht. In Deutschland ist die „Pille danach” rezeptfrei, aber kostenpflichtig in der Apotheke erhältlich. Frauen unter 22 Jahren erhalten die Pille danach mit einem ärztlichen Attest kostenfrei. Zwischen 18 und 21 Jahren ist nur die Rezeptgebühr in Höhe von 5 Euro fällig. Unter 14 Jahren brauchen Mädchen das Einverständnis ihrer Eltern. Zwischen 14 und 18 Jahren entscheidet die Apotheker*in, ob die junge Frau das Medikament erhält – ein Einverständnis der Eltern ist also nicht unbedingt notwendig.

Verhütungsschutz. Nach Einnahme der „Pille danach” besteht kein Verhütungsschutz.   Das Medikament reduziert außerdem die Sicherheit der herkömmlichen Anti-Baby-Pille. Anwender*innen sollten für den aktuellen Zyklus also zusätzlich eine Verhütungsmethode wie zum Beispiel ein Kondom anwenden.

Spirale danach

Nach ungeschütztem Sex besteht die Möglichkeit, sich bis zum 5. Tag nach dem Geschlechtsverkehr von der Frauenärzt*in eine Spirale oder Kette mit Kupferbeschichtung einlegen zu lassen. Bei manchen Präparaten ist das Kupfer zusätzlich mit Edelmetallen, z.B. Gold oder Silber, legiert.
Die Spirale verhindert, dass sich die befruchtete Eizelle in die Gebärmutter einnistet. Eine Spirale ist dafür gedacht, längere Zeit im Körper der Frau zu bleiben. Die Entscheidung dafür sollte also gut durchdacht sein und nicht unter Druck gefällt werden . Mehr Informationen zum Einsetzen, der Zuverlässigkeit und möglichen Nebenwirkungen der Kupferspirale finden Sie diesem Artikel.
Präparate: Kupferspirale z.B. Mulitload® und NovaT®, Kupferanteil mit einer Edelmetalllegierung z.B. Goldlilly®, Medusa® und Goldring-Medusa®.
Die Kosten von ca. 130 bis 250 € werden bis zum 22. Lebensjahr von der Krankenkasse übernommen.

Achtung: Eine Hormonspirale ist nicht als Notfallverhütung geeignet. 

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  • Natürliche Verhütung

Pearl-Index

Der Pearl-Index gibt an, wie sicher eine Verhütungsmethode ist. Er bezieht sich auf jeweils 100 Frauen, die eine bestimmte Verhütungsmethode anwenden. Ein Index von 1 bedeutet, dass pro Jahr von diesen Frauen eine trotz Verhütung schwanger wird – trotz der angewendeten Verhütungsmethode („Versagerquote" von 1 %).

Die Angaben können sich sowohl auf die Methoden- als auch auf die Gebrauchssicherheit beziehen. Die Methodensicherheit berücksichtigt nur die Schwangerschaften, die bei korrekter Anwendung des Verhütungsmittels eingetreten sind (Perfect Use). Die Gebrauchssicherheit bezieht mit ein, dass es im Alltag auch zu Anwendungsfehlern kommt. Ein Anwendungsfehler wäre zum Beispiel, dass ein Diaphragma nicht richtig eingesetzt wird oder das Kondom durch einen Fingernagel eingerissen wird. Bei manchen Methoden hat der Pearl-Index eine große Schwankungsbreite – etwa für das Kondom zwischen 2 und 12 oder für das Diaphragma zwischen 1 und 20. Eine wichtige Ursache für die Schwankungen sind Anwendungsfehler. Das unterstreicht, wie wichtig die richtige Anwendung eines Verhütungsmittels ist.

Der Pearl-Index für einige wichtige Verhütungsmittel lautet:

  • Pille: 0,1 bis 0,9

  • Minipille: 0,5 bis 3

  • Kondom: 2 bis 12

  • Hormonspirale: 0,16

  • Kupferspirale: 0,3 bis 0,8

  • Symptothermale Methode: 0,4 bis 1,8, wenn an fruchtbaren Tagen kein Sex stattfindet

  • Hormonimplantat: 0 bis 0,08

  • Diaphragma: 1 bis 20, wenn es zusammen mit einem Verhütungsgel angewendet wird

  • Femidom: 5 bis 25

  • Koitus interruptus: 4 bis 18

  • Knaus-Ogino- oder Kalender-Methode: 9

  • Sterilisation der Frau: 0,2 bis 0,3

  • Sterilisation des Mannes: 0,1.

Am Pearl-Index gibt es auch immer wieder Kritik, weil er statistische Schwächen hat. So berücksichtigt der Pearl-Index zum Beispiel nicht, wie oft eine Frau Sex hat. Oder aber es werden Daten von Paaren erhoben, die die Methode schon sehr lange nutzen und aufgrund der Routine nur wenig Fehler bei der Anwendung machen. Als erste Orientierung ist der Pearl-Index aber gut geeignet und wird entsprechend auch häufig genutzt.